Am 12.12.1903 – vor genau 111 Jahren – wurde mein Großvater geboren: Theodor Franz Maria Hespers. Für mich ist mein Großvater ein Mythos. Eine Heldenfigur. Und jemand, der mein Leben bis heute beeinflusst. Er starb am 09.09.1943 in Berlin Plötzensee – ermordet von den Nazis.
Am 12.12.1903 – vor genau 111 Jahren – wurde mein Großvater geboren: Theodor Franz Maria Hespers. Für mich ist mein Großvater ein Mythos. Eine Heldenfigur. Und jemand, der mein Leben bis heute beeinflusst. Er starb am 09.09.1943 in Berlin Plötzensee – ermordet von den Nazis.
Du erinnerst mich an Frauen aus den 70er Jahren, oder wie ich mir Frauen aus den 70er Jahren vorstelle. Als mir ein Freund vor ein paar Tagen diese Zeilen geschrieben hat, wusste er nicht, dass er damit in Worte fasst, was ich seit Jahren denke. Wir haben wahrscheinlich beide keine Ahnung, wie die Frauen in den 70ern waren. Aber es ist nicht das erste Mal, dass ich denke: Wer bin ich eigentlich? Was mache ich in dieser Zeit? Mein Körper ist jung, aber meine Haltung, meine Wertvorstellungen sind manchmal 20 Jahre zu alt.
Wenn mich jemand nach meiner Familie fragt, antworte ich ganz gerne mit: mein Vater ist ein Jahr älter als meine Oma und zwei Jahre jünger als mein Opa. In der Regel folgt darauf ein ungläubiger Blick und dann schweigen. Aber es ist genau so: mein Vater ist jetzt 83 Jahre alt. Mein Vater hat den Krieg erlebt. Und damit meine ich nicht, dass er zu der Zeit gelebt hat, als Deutschland in der Hand der Nazis war. Er hat diesen Krieg erlebt. Er ist aufgewachsen in einer Zeit, die wir uns nicht im Ansatz mehr vorstellen können. Und auch, wenn mein Vater so alt ist, wie meine Großeltern. Es macht einen Unterschied. Allein, weil mein Vater – zumindest als ich noch klein war – für meine Erziehung verantwortlich war.
Obwohl ich seit meiner frühesten Kindheit die Geschichten dieses Krieges kenne: Sich vorzustellen, wie jemand einen Krieg überleben kann, fällt mir trotzdem genau so schwer wie jedem anderen Menschen, der weit nach Kriegsende geboren ist. Angst, Flucht, Widerstand, Hunger und Elend. Die Geschichten meines Vaters hatten den Stellenwert von Kinofilmen über den Zweiten Weltkrieg. Berührend, ergreifend, beängstigend – aber weit weg. Vorbei. Vergangenheit.
Bis vor einiger Zeit waren das eben einfach nur Geschichten. Und ich hab mitunter als erste gesagt: ich kann und will das nicht mehr hören. Aber je älter ich werde, desto stärker fühle ich mich mit diesen Geschichten verbunden. Weil ich immer mehr begreife, wie wenig selbstverständlich das ist, was wir jetzt, hier und heute haben. Wie fragil dieser Frieden ist. Wie schnell es wieder so sein kann, wenn wir nichts dagegen tun. Und für wie viele Menschen das alles eben NICHT Vergangenheit ist, sondern Alltag.
Mit diesem Blog möchte ich die Geschichten teilen. Die Geschichte meines Großvaters natürlich. Sie ist schließlich der Auslöser. Aber auch die Geschichte meines Vaters. Und am Ende ist das eben auch meine Geschichte. Es ist eine Geschichte mit einem sehr langen Atem – 111 Jahre genau bis zum heutigen Tag. Und ich freue mich auf all jene, die mich auf diesem Weg begleiten möchten. Denn ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, wohin das alles führt. Wir werden sehen…
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