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Episode 24

Alfred und die Spitzel (1)

Alfred Katzenstein ist gerade mal 18 Jahre alt als er von der Gestapo in Mönchengladbach verhaftet wird. Er hat Flugblätter abgetippt und weiterverbreitet, die der Version der Nazis widersprechen, ein Kommunist hätte den Reichtag angezündet. Im Gefängnis erhält Alfred überlebenswichtige Tipps.

Ein Auszug aus den Erinnerungen von Alfred Katzenstein aus der Haft im Gestapogefängnis in Düsseldorf. Daneben ein Portraitfoto von Alfred Katzenstein mit Anfang 20

Es ist ein bisschen gemein, denn eigentlich möchte ich diese Geschichte über meinen Großvater Theo Hespers ja gerne chronologisch erzählen. Aber mir war klar: Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, an dem ich einen Zeitsprung machen muss. Jetzt ist es soweit. Und Schuld ist – wie kann es anders sein – mein Vater.

Entdeckungen wie diese kündigt mein Vater meistens mit großem Tamtam an. So auch diesmal. Es ist ein Telefongespräch der Art: Du glaubst nicht, was ich gefunden habe! Aber du musst es dir abholen. Am besten sofort. Und wenn ich dann doch erst ein paar Wochen später kann, ist mein Vater kurz enttäuscht. In seiner Welt dreht sich eigentlich alles nur um ihn. Dass ich in Köln nicht einfach alles stehen und liegen lassen kann, um ein Buch bei ihm in Mönchengladbach abzuholen, muss ich immer wieder erklären. Diesmal hat er aber wirklich ein Schätzchen gefunden.

Im Haus meines Vaters gibt es ein Zimmer, das ausschließlich mit seinen Sachen vollgestopft ist. Als er mir dieses Zimmer zum ersten Mal zeigt, habe ich das Gefühl, eine Zeitmaschine zu betreten. Er öffnet die Tür und sofort rieche ich den vertrauten Geruch von altem Papier, Staub und ganz dezent etwas Moder, weil all das, was jetzt in diesem Zimmer ist, eine Zeit lang in feuchten Räumen verbracht hat. So ein Zimmer gab es auch damals schon, als er noch bei uns gewohnt hat. Überall hängen und liegen Bücher. Bücher über Bücher, lose Zettel, Zeitungsausschnitte, manche davon ragen wirr aus irgendwelchen Schubladen.

Zwischen diesen Stapeln aus Wäschekörben mit Papier und Krempel gibt es zwei schmale Wege, die mein Vater mit seinen 85 Jahren kaum unfallfrei passieren kann. Immerhin braucht er inzwischen zum Gehen einen Stock. Einen Überblick darüber, was da so alles liegt, hat er nicht. Nie gehabt. Aber er weiß, dass da Sachen drin lagern, die er mir unbedingt geben möchte. Und ein solches Schätzchen hat er zuletzt gefunden. Es ist das Buch von Alfred Katzenstein. Der Titel: „Katzenstein. Einblicke“ ist in Gold auf den Buchrücken geprägt. Zwischen den mit schwarzem Stoff bezogenen Pappdeckeln befinden sich über 200 mit Schreibmaschine getippte DIN A4 Seiten. Dazwischen schwarzweiß Kopien von alten Fotos. Über meinen Großvater steht da nur ein bisschen was. Dafür erfahre ich umso mehr, was zu der Zeit, als mein Großvater schon im Exil war, in Mönchengladbach so alles passiert ist. Eine Perspektive, die ich bislang nicht kannte. Und die mir zeigt, was mein Großvater eigentlich wissen konnte über das, was in Deutschland passiert.

Ein jüdischer Junge aus Mönchengladbach

Alfred Katzenstein wird am 16. Mai 1915 in Mönchengladbach als Sohn jüdischer Eltern geboren. Seine Großeltern besitzen ein Geschäft in der Innenstadt von Mönchengladbach. Genauer gesagt auf der Hindenburgstraße, bis heute die Haupteinkaufsstraße in Mönchengladbach. Seinen Vater kennt er zunächst kaum. Er dient in der Kavallerie, und Alfred bekommt ihn die ersten drei Jahre kaum zu Gesicht. So wächst er zunächst bei seiner Mutter und den Großeltern auf. Sehr beeindruckt hat mich die Schilderung des Dachgartens, den es auf dem Haus wohl gegeben haben muss. Damit ist für mich klar: die Katzensteins hatten ordentlich Geld. Als Alfreds Vater aus dem Krieg zurück kehrt, zieht die Familie auf einen Hof. Papa Katzenstein gründet eine Kleiderfabrik und zeugt zwei weitere Kinder – Elli und Paul Katzenstein.

In seinen Einblicken erzählt Alfred allerhand über seine Schulzeit. Selbstverständlich geht er zunächst auf eine jüdische Schule. Später dann auf ein Gymnasium. Er erzählt von seinem Versagen im Lateinunterricht, einem Lehrer, der es liebte, die Jungs zu demütigen und von seiner ersten Liebe: Erna Sander. Alfred ist das, was man ein sonniges Gemüt nennt. Was er schreibt ist selbst dann unterhaltend, wenn es ernst wird. Zumindest wenn es um seine Kindheit und Jugend geht. Und was mich ein bisschen wundert: er schreibt nicht nur über seine erste große Liebe Erna und wie es war, sich zu dieser Zeit als so junges Paar zu lieben. Er schreibt auch ziemlich unverblümt von seiner ersten Affäre. Und von seinen ersten homoerotischen Abenteuern mit Jungs. Das alles sehr unaufgeregt. Also natürlich war das für ihn sehr aufregend. Aber nichts daran ist verschämt, nirgendwo finden sich Gewissensbisse. Klar hat er das aufgeschrieben, als er schon viel älter war. Aber auch damals, Ende der 20er Jahre, schien ihn diese Zuneigung zu beiden Geschlechtern nicht im geringsten zu verwirren. Er hat sie einfach gelebt.

Tatsächlich kenne auch ich Alfred als Schürzenjäger. Und mein Vater ist sich ziemlich sicher, dass er damals, als er häufig zu Besuch bei meinem Großvater im Exil in Melick-Gebroek bei Roermond war, auch hinter meiner Oma her war! So ganz schlecht hat der kleine Dirk – also mein Vater – das nicht beobachtet. Denn Alfred schreibt in seinen Erinnerungen:

„Freizeit verbrachten Max und ich oft bei Theo. Nicht nur, daß Käthe eine attraktive Frau war, sie verstand es auch trotz ihrer kargen Mittel in der kleinen Kate, die sie bewohnte, eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. So diskutierten wir über die Weltsituation, und da Theo ein kluger und erfahrener Arbeiterfunktionär war, konnten wir viel von ihm lernen. Weil es so angenehm war und unser Nachhauseweg ziemlich weit, konnten wir oft kein Ende finden und blieben bis weit nach Mitternacht.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 49

Aber wie kommt Alfred nach Melick-Gebroek zu meinem Großvater Theo? Die Geschichte beginnt kurz bevor die Nazis an die Macht kommen.

Alfred entdeckt den Klassenunterschied

Alfred Katzenstein entdeckt die Jugendbünde für sich. Er tritt den „Kameraden“ bei – einem jüdischen Jugendbund – und merkt irgendwann, dass er doch ein ziemlich verwöhntes, gut betuchtes Jüngelchen ist. Man darf nicht vergessen, Mönchengladbach ist damals eine Textilstadt. Viele seiner Freunde stammen aus Arbeiterfamilien und leben in wesentlich bescheideneren Verhältnissen als er. Statt in einem großen Haus mit Dachterasse leben seine Freunde mit ihren Familien in kleinen Wohnungen. Über eines der Treffen der „Kameraden“ schreibt Alfred:

„Als wir an einem Heimnachmittag zum ersten Mal über Marxismus sprachen […] schockierte ich die Gruppe mit meiner Ansicht: ‚Marxismus sei vielleicht gut für Arbeiter, die mehr vom Leben haben wollten, aber mich interessiere Politik schon deswegen nicht, weil es mir sehr gut ginge, und ich als Sohn eines Kapitalisten höchstens etwas verlieren würde, was ich jetzt besäße'“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 22

Alfred dürfte da so ungefähr 15 oder 16 Jahre alt sein. Er schreibt leider keine Jahreszahl dazu, aber das dürfte ungefähr hinkommen. Er beginnt, sich mit Sozialismus und Kommunismus zu beschäftigen und ändert bald seine Haltung. Ihm wird immer deutlicher bewusst, mit welchen Privilegien er aufgewachsen ist. Paradoxerweise beginnt er in derselben Zeit erste Erfahrungen mit Diskriminierung zu machen. Denn die Propagandamaschine gegen die Juden ist längst angelaufen. Und ich weiß, dass das total naiv klingt, aber auch ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass natürlich nicht mit dem Jahr 1933 ganz plötzlich der Judenhass in Deutschland losgebrochen ist. Nein, diese giftige Saat wurde lange vorher unters Volk gebracht. Die Rechten gab es längst. Und auch die HJ war bereits am Start, wenn auch zahlenmäßig nur ein kleines Grüppchen.

Auch Alfred kannte den ein oder anderen HJ-ler. Denn Anfang der 30er Jahre war es ziemlich hip, Mitglied in einem Jugendbund zu sein. Alfred schreibt, dass etwa die Hälfte seiner Klasse in irgendeinem Bund war:

„Wir alle kamen in kurzen Hosen und Fahrtenhemd zur Schule, das unterschied uns schon rein äußerlich von den anderen, die mit Krawatte, langer Hose und der elitären Schülermütze gingen.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 29

Das war 1932. Und schon damals bekommt Alfred Katzenstein die Schizophrenie der nationalsozialistischen Ideologie zu spüren. Es ist übrigens exakt die selbe Argumentation – und das ist wirklich, wirklich erschreckend – die wir heute in den sozialen Netzwerken viel zu häufig lesen, wenn wieder einmal darüber diskutiert wird, ob jemand rechtes Gedankengut durch die Gegend posaunt. Wie oft habe ich gelesen: „Ich bin kein Nazi, ich hab auch (hier beliebige Nationalität einsetzen) Freunde. Die sind OK. Aber alle anderen: sofort ausweisen“ – harmlose Variante – oder auch Schlimmeres. Bitte schön, hier ist die Entsprechung dieser Facebook-Postings aus dem Jahr 1932:

„Mit einem anderen HJ-ler verstand ich mich ebenfalls sehr gut. Wir diskutierten später sehr oft über weltanschauliche Fragen, wobei er mehrfach den Standpunkt vertrat, die Juden seien das Unglück der Menschheit und müßten ausgerottet werden. Ich sei jedoch eine Ausnahme! Das war damals ein Erlebnis vieler jüdischer Menschen. Die Nazis verbreiteten Haß gegen Juden im allgemeinen, die sie gar nicht kannten. Lernten sie aber einen Juden näher kennen und schätzen, so glaubten sie, er sei die Ausnahme, ebenso wie jeder Nazi einen Juden kannte, der in seinen Augen eben eine Ausnahme war. Das änderte aber an der Mißhandlung und Vernichtung der Juden überhaupt nichts, sondern diente nur als Alibi.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 29

Alfred Katzensteins Schulklasse

Alfred Katzensteins Schulklasse

Der Reichstagsbrand und seine Folgen für Alfred

Als in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 der Reichstag in Berlin brennt, bleibt das auch für Alfred nicht ohne Folgen. Alles beginnt mit einer Reise nach Amsterdam. Dorthin sind Gertrud Sander und ihr Freund Ernst geflohen. Gertrud ist die ältere Schwester von Alfreds großer Liebe Erna. Vorher hatten Gertrud und Ernst in Bonn gelebt und studiert. Wie viele Studenten zu jener Zeit – und auch später immer wieder – hat sich das Paar politisch engagiert. Sie standen der KPD nahe und das war natürlich gefährlich, denn die KPD war zu diesem Zeitpunkt längst verboten. Für die Nazis war der Reichtsagsbrand eine Art Startschuss. Ab jetzt konnten sie hemmungslos alle politischen Gegner verfolgen. Jude zu sein und dazu auch noch links war nicht die besten Voraussetzung, um in Deutschland sicher zu sein.

Reisen war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch kein Problem und so sind Alfred und Erna mit dem Zug nach Amsterdam gefahren, um die beiden zu besuchen. Während der Reichtsagsbrand in Deutschland als Startschuss für einen kommunistischen Aufstand hochgepuscht wurde, waren die ausländischen Medien ein wenig vorsichtiger in der Beurteilung des Ereignisses. Ich bin in Sachen Geschichte nicht bewandert genug, um eine eigene Meinung dazu zu haben. Für diese Geschichte hier ist das aber auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass Alfred durch Gertrud und Ernst an Schriften gelangt, die eine etwas andere Sicht auf die Ereignisse des 27. und 28. Februar 1933 aufzeigen als es in Deutschland propagiert wird.

Alfred ist von den Ereignissen so aufgewühlt, dass er „die Wahrheit“ auch seinen Mitschülern mitteilen möchte. Er nimmt einige der Schriften über den Reichstagsbrand mit nach Hause und tippt sie ab, um sie an seine Mitschüler zu verteilen:

„Schon am nächsten Tag begann ich, eine der Broschüren auf meiner Schreibmaschine mit 5 oder 6 Durchschlägen abzuschreiben. Einigen Mitschülern und Bekannten gab ich die Durchschläge bzw. das Original zum Lesen.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 33

Die Gestapo verhaftet einen Jugendlichen

Eines nachmittags stehen vier Polizisten in Zivil vor der Tür und wollen Alfreds Zimmer durchsuchen. Einer der Polizisten, daran erinnert sich Alfred genau, heißt Abel. Ich kenne diesen Namen. Er wird später immer wieder in den Gestapo-Akten über meinen Großvater auftauchen. Die Männer durchsuchen das Zimmer von Alfred Katzenstein:

„Dummerweise lag das Blaupapier, mit dem ich die Reichstagsbrand-Hintergründe vervielfältigt hatte, noch in meinem Papierkorb neben dem Schreibtisch, und natürlich nahmen die Gestapoleute das mit. Obwohl ich glaubte, daß es unmöglich wäre aus diesen Blaupapieren noch etwas zu entziffern, da ich ja mindestens zwölf Seiten damit durchgeschlagen hatte, fühlte ich mich doch verunsichert.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 34

Die Männer nehmen den damals 17-jährigen Alfred fest und bringen ihn in ein Gefängnis nach Düsseldorf. Ich stelle mir das ziemlich schräg vor. Du bist ein junger Mensch, immer noch Schüler und hast das Gefühl, du kannst noch wirklich was verändern in dieser Welt. Möchtest im Glauben, das beste zu tun, deine Mitmenschen aufklären – und dann kommt die Polizei, durchsucht dein Jugendzimmer, nimmt dich fest und schleppt dich ins Gefängnis. Wie seltsam sich das anfühlen muss.

„Ich wurde in eine Zelle gebracht, in der schon ein älterer Gefangener saß. Er war sehr freundlich und informierte mich über die Gefängnisroutine, allerdings teilte er mir auch mit, daß nachts oft Gefangene aus den Zellen geholt würden, und man dann ihr Schreien im ganzen Bau hörte. Das passierte dann auch gleich in der ersten Nacht. Da man nie wußte, wer als nächster dran käme, geriet ich dadurch in beträchtliche Aufregung und Unsicherheit.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 34

Am nächsten Morgen erfährt Alfred im Waschraum dann gleich noch ein paar Details, die ihm das Leben retten sollen. Und gleichzeitig bekomme ich einen Einblick in die Taktik, die wohl auch mein Großvater später in seinen Vernehmungen verwenden wird. Schon wieder fühle ich mich an dieser Stelle völlig naiv. Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, was da wohl zwischen den Gefangenen so ausgetauscht wird. Was sie überhaupt austauschen können. Wie auch. Ich war ja nie in der Situation, politisch gefangen zu sein und Angst um mein Leben zu haben.

Ein überlebenswichtiger Tipp

Aber genau in dieser Naivität bin ich an diesem Punkt der Geschichte wahrscheinlich eine gute Entsprechung für den jungen Alfred. Und wieder kann ich nur sagen: wie krass. Eben warst du noch Schüler, denkender Mensch mit Haltung und Meinung – und einen Tag später bist du plötzlich politisch Gefangener und musst um dein Leben fürchten. Aber die Gefangenen kümmern sich umeinander und Alfred bekommt einen lebenswichtigen Hinweis. Er wird ihm im Waschraum zugeflüstert:

„Plötzlich stand jemand neben mir und wollte flüsternd wissen (sprechen war verboten), warum ich hier sei. Ich schilderte kurz meine Situation. Er sagte mir, er sei Willie Eggerath. (Ich kannte seinen Namen schon von Theo Hespers und hatte sofort Vertrauen zu ihm). Er nannte mir einige Namen von Genossen, die die Nazis schon ermordet hatten. Falls ich Namen nennen müßte, sollte ich nur diese nennen.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 34

Mein Großvater wird in den Verhören exakt dasselbe tun. Er nennt immer nur Namen von Menschen, die bereits von den Nazis verhaftet oder ermordet worden sind. Schon in den allerallerersten Verhörprotokollen. Und irgendwie kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht genau diese Geschichte von Alfred ist, die ihn zu dieser Taktik veranlasst.

Acht Tage lang muss Alfred auf sein Verhör warten. Die blau-schwarz angelaufenen und zugeschwollenen Gesichter der Mitgefangenen, in die er beim Hofspaziergang immer wieder blickt, machen ihm Angst. Und dann verplappert er sich auch noch beim Verhör. Die beiden Gestapo-Leute stellen ihm eine Fangfrage und schon haben sie den jungen Alfred am Wickel. Ihm ist klar, dass er sich unrettbar reingeritten hat. Und seine Angst soll sich noch steigern:

„Am nächsten Tag war ein großer Appell auf dem Gefängnishof vorgesehen. Es hatte sich unter den Gefangenen herumgesprochen, daß der Gauleiter Florian derartige Appelle nutzte, um Gefangene, deren Gesicht diesem brutalen Schläger nicht gefiel, entweder ins Konzentrationslager oder zur ‚Sonderbehandlung‘ (d.h. Mord) durch die SS heraus zu holen.“

Alfred Katzenstein in seinem Buch „Einblicke“, S. 35

Aber Alfred hat Glück. Er wird nicht herausgefischt. Und nicht nur das. Seinen Eltern gelingt es über einen Kontaktmann, Alfred aus dem Gefängnis zu bekommen. Sein Vater muss dafür ein ansehnliches Sümmchen für seinen Sohn auf den Tisch legen. Während Alfred sich im Auto seiner Eltern, einem Buik mit Fahrer, auf das lang ersehnte Wiedersehen mit seiner Erna freut, eröffnen ihm seine Eltern, dass es jetzt keineswegs zurück nach Mönchengladbach geht. Sie werden Alfred nach Saarbrücken bringen, das damals nicht zu Deutschland gehört. Die SS hatte Alfreds Vater gewarnt: sollten sie seinen Jungen noch ein mal erwischen, wäre es aus…

Fortsetzung folgt…

Personen:

Theo Hespers – Widerstandskämpfer und mein Großvater

Alfred Katzenstein – jüdischer Kommunist aus Mönchengladbach

Erna Sander – Alfreds große Liebe

Gertrud Sander – Ernas große Schwester

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  • 10. März 2024, um 11 Uhr in Wuppertal (genauere Infos folgen)
  • 21. März 2024, 18 Uhr, Buchmesse Leipzig
  • 7. Mai 2024, Fritz-Bauer-Forum, Bochum
  • 19. Mai 2024, EL-DE-Haus, Köln
  • 8. Juli 2024, Herford

Weitere Lesungen für 2024 sind ebenfalls in Planung. Zum Beispiel in Göttingen, Heidelberg, Augsburg und München.