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Episode 34

Die Kameradschaft: Schriften junger Deutscher. Teil 2

Joseph Cornelius Rossaint, ein katholischer Kaplan, arbeitet in Oberhausen und Düsseldorf als eine Art Streetworker. Weil er Kontakte zu Kommunisten unterhält, versuchen die Nazis, ihn aus dem Weg zu schaffen. Über den Prozess gegen ihn, schreibt mein Opa Theo Hespers einen Artikel.

Die ersten Zeilen des Artikels mit der Überschrift "Brüder in Not - Zum Rossaint-Prozess": "Es ist an der Zeit, dass die Menschen der katholischen Jugendbewegung sich Rechenschaft geben über die Art und die Bedeutung des Kampfes, den die Nazi-Regierung gegen den Fortbestand ihrer Organisationen, gegen ihre Führung, gegen sie selbst führt. Dieser Kampf ist nicht nur ein Kon-kurrenzstreit, der dem Totalitätsanspruch der Hitler-Jugend entspringt, sondern er ist ein Kampf gegen die innere ..."

Während sich Plato vor allem mit dem militärischen Teil und den innenpolitischen Querelen des NS-Regimes auseinandersetzt, liegt der Fokus von meinem Großvater ganz klar auf dem, was der katholischen Jugend passiert. Beziehungsweise mit den Leitern der katholischen Jugendgruppen. Sein Artikel beschäftigt sich mit dem Rossaint-Prozess.

Am 28. April 1937 steht in Berlin ein katholischer Priester vor Gericht: Joseph Cornelius Rossaint. Rossaint war es nicht genug von der Kanzel zu predigen. Er war nicht nur katholischer Priester, sondern auch ein politischer Mensch. Nach seiner Priesterweihe im Kölner Dom am 26. Juni 1927 war er zunächst für fünf Jahre in Oberhausen. Danach wurde er nach Düsseldorf versetzt. Er war bis März 1933 Mitglied in der Zentrumspartei und kümmerte sich vor allem um die Belange von Jugendlichen und Arbeitslosen. Er organisierte Arbeitslosentreffs und entwickelte mit den Jugendlichen seiner katholischen Sturmschar Anti-Kriegs-Flugblätter. Ich persönlich finde es ja ziemlich befremdlich, dass eine pazifistische katholische Jugendorganisation „Sturmschar“ heißt. Für mich widerspricht sich das – aber damals fand man das wohl völlig normal.

Durch sein soziales Engagement kam Rossaint ganz automatisch auch in Kontakt mit kommunistischen Organisationen. Und sie arbeiteten zusammen gegen den Faschismus. Genau das versuchen die Nazis Rossaint im Prozess anzuhängen. Er ist angeklagt wegen „versuchter Bildung einer Einheitsfront zwischen Katholiken und Kommunisten“ – und wird am Ende zu 11 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Auf diesen Prozess bezieht sich der Aufsatz meines Großvaters in der ersten Ausgabe der Kameradschaft im November 1937, den ich hier in Auszügen zitieren und kommentieren werde.

Kampf um die Jugend

Es ist nicht viel Phantasie nötig, um zu wissen, dass Nationalsozialismus und katholischer Glaube nicht miteinander vereinbar sind. Wer es mit der Nächstenliebe wirklich ernst meint, für den gilt sie über alle Unterschiede hinweg. Diese Haltung macht es den Nazis aber natürlich sehr schwer, wenn es darum geht, Jugendliche in Gruppen zwangszusammenzuführen, die eine völlig andere Ideologie propagieren. In den Worten meines Großvaters klingt das so:

„Die katholische Jugend hat seit dem Weltkriege ein eigenes Weltbild auf Grund ihrer religiös-ethischen Ideale entwickelt, das der Weltanschauung des «Nationalsozialismus’» grundsätzlich entgegensteht. Gerade die katholische Jugend ist auf die unehrlichen Phrasen des Nazismus’ vom «positiven Christentum», von der «Volksgemeinschaft», von der «nationalen Idee» nicht hereingefallen, weil sie selbst ihre eigene klare Idee über alle diese Dinge in sich trägt. So ist es denn verständlich, dass das heutige Regime aus Selbsterhaltungstrieb gezwungen ist, den Vernichtungskampf gegen die katholische Jugend mit allen Mitteln zu führen. Infolgedessen hat die katholische Jugend bis heute schon alle Formen der Verfolgung erlebt und wird sie auch noch weiterhin erleben müssen. Dabei geschehen alle Unterdrückungsmaßnahmen im krassen Gegensatz zu den Abmachungen die die Hitler-Regierung mit dem Vatikan im «Reichskonkordat» 1933 eingegangen ist. In diesem Konkordat wird der Weiterbestand und die freie Betätigung der katholischen Jugendorganisationen ausdrücklich zugesichert. Die katholischen Jugendverbände erhalten das recht, ihre Mitglieder zur geistigen-religiösen Jugendpflege zu versammeln. Das Recht der Leibesübungen, des Sports usw. wird ihnen allerdings genommen.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Klar. Wäre ja noch schöner, wenn die Katholiken den Fitness-Teil übernehmen. Schließlich wollten die Nazis ja durch und durch gedrillte Kinder und Jugendliche erziehen. Gesunde Jungen und Mädchen, die entweder in den „glorreichen“ Krieg für ihr Vaterland ziehen, oder eine Vielzahl gesunder deutscher Nachkommen auf die Welt bringen sollten. Mir wird ganz schlecht, wenn darüber nachdenke. Diese Uniformität, dieser Menschenmissbrauch, dieses Zuchtprogramm des – in Augen der Nazis – perfekten Menschen … bäh.

Aber weiter im Text. Denn mein Großvater erzählt auch, wie seitens der Nazis versucht wurde, trotz des Konkordats Mittel und Wege zu finden, die katholischen Jugendbünde verbieten zu lassen:

„Es wurden von Seiten der «H.J.» Anremplungen, Ueberfälle und Schlägereien auf katholische Jugendgruppen organisiert, bei denen dann nachher die katholische Jugend als der schuldige Teil hingestellt wurde. Die herbeigerufene Polizei griff immer zu Gunsten der «H.J.» ein und das Ende vom Lied war dann das örtliche oder bezirkliche Verbot der betroffenen Organisationen.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Es gab aber noch weitere Repressalien, die katholische Jugendliche in die Hitler-Jugend treiben sollten:

„Auch auf dem Verordnungswege versuchte man dem katholischen Jugendlichen die Treue zu seiner Organisation zu verleiden. Es wurde ein allgemeines Verbot für gemeinsames Wandern und Zelten erlassen. Dann kam eine Verordnung, nach der nur noch Mitglieder der «H.J.» in den meisten Berufen Lehrstellen erhielten. An den Schulen wurde den Mitgliedern der «H.J.» das Examen erleichtert. Später wurde ein Beamtengesetz erlassen, dass alle Beamtenkinder verpflichtet, Mitglieder der «H.J.» zu sein: da eine Doppelmitglieschaft nicht möglich ist, sind diese gezwungen, die katholischen Jugendorganisationen zu verlassen.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Es wird ja immer wieder gerne gesagt: Du wärst auch dabei gewesen. Du wärst auch mit Freuden mitmarschiert. Ganz ehrlich: Na klar! Wenn du zu dieser Zeit Teenager warst, dann hattest du ja kaum die Möglichkeit, dich anders zu entscheiden. Es sei denn, du hast dich ganz bewusst für ein Leben im Abseits entschieden, in der Opposition und in Armut – immer mit einem Bein im Knast. Oder mit der Gefahr, dass deine Eltern für dein Verhalten verantwortlich gemacht werden. Am Anfang ist da vielleicht noch Widerstand, aber wenn man dann ein paar Mal richtig auf die Fresse bekommen hat, wenn einem bewusst wird, wie wenig Perspektiven man hat, irgendwie beruflich was Anständiges zu machen, um mal Geld zu verdienen, dann überlegst man sich wahrscheinlich, doch in die H.J. einzutreten. Und 1937 waren die Nationalsozialisten bereits vier Jahre an der Macht – und die Schlinge um den Hals zieht sich merklich zu. Spätestens mit dem Reichsjugendgesetz 1936, dass all Jugendlichen bis 18 Jahre verpflichtet, in die H.J. einzutreten.

Ein Kaplan als Streetworker

Erstaunlich ist, dass – zumindest bis 1936 – immer noch sehr viele Jugendliche in den katholischen Verbänden blieben. Mein Großvater schreibt dazu:

„Der Hauptsitz der katholischen Jugend befand sich in Düsseldorf. […] Die Zentrale in Düsseldorf erfasste zu Beginn des Jahres 1936 noch immer gegen 40.000 katholische Jugendliche.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Die geistige Führung dieser Jugendlichen war Kaplan Rossaint. Und er begnügte sich eben nicht damit, Gottes Wort zu predigen. Er bildete die Jugendlichen auch im politischen Sinne. In den Versammlungen wurden verschiedene Zeitströmungen vom katholischen Standpunkt aus untersucht – so nennt mein Großvater das. Das heißt: Sowohl Nationalsozialismus als auch Kommunismus wurden aus katholischer Perspektive analysiert. Zusätzlich betätigte sich Rossaint als eine Art Streetworker:

„Sein Christentum war praktisch und radikal … er verschmähte jeden Genuss des Lebens. Er ass kaum Fleisch. Er rauchte nicht und trank nicht. Er legte keinerlei Wert auf sein Äusseres. Oft hat er schon am dritten oder vierten Tag des Monats kein Geld mehr gehabt, da er alles verschenkte… Seine Wohnung stand allen offen. Wenn sie übervoll war von Schützlingen, musste er selbst auf den Speicher gehen, um arbeiten zu können.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

So zitiert mein Großvater den „«nationalsozialistischen» Medizinalrat Fuhrmann“, der vor Gericht ein Gutachten über Rossaint vorgetragen hatte. Irgendwie kein Wunder, dass sich die Jugendlichen gerade Rossaint zum Vorbild genommen haben. Aber auch kein Wunder, dass den Nazis das so gar nicht gefallen konnte.

Vorwurf des Missbrauchs

Weil der Einfluss der katholischen Kirche durch Männer wie Rossaint den Nazis zu heikel war, gab es im Februar 1936 eine große Verhaftungswelle gegen katholische Jugendführer im Rheinland. Unter ihnen nicht nur Kaplan Rossaint, sondern auch Kaplan Josef Thomé, Theos geistiger Ziehvater und der Mann, der ihn in der City-Kirche in Mönchengladbach im Mai 1930 getraut hat. Mein Großvater hatte also durchaus einen persönlichen Bezug zu der Geschichte – und es ist sehr wahrscheinlich, dass er auch Rossaint kannte.

Erst über ein Jahr später, im April 1937, wird fünf der damals festgenommenen katholischen Jugendführer vor dem Zweiten Senat des Volksgerichtshofes in Berlin der Prozess gemacht. Hauptangeklagter: Kaplan Joseph Cornelius Rossaint. Drei Wochen lang wird dieser Prozess dauern, den Goebbels mit großem Tamtam in den Presseorganen des NS-Regimes ausschlachten wird. Mein Großvater schreibt dazu:

„In monatelangen «Untersuchungen» und «Verhören» hatte man vorher Material für einen «Schuldbeweis» besonders des Hauptangeklagten zu erlangen versucht. In der übelsten und hässlichsten Weise versuchte man durch «Verhöre» von Jugendlichen diesem sauberen katholischen Priester hässlichste sittliche Vergehen mit der ihm anvertrauten Jugend anzuhängen, so wie man im Prozess selbst seine rein sachlich, teils seelsorglichen Verbindungen mit der verurteilten Kommunistin Berta Karg mit einem Schein von Pikanterie zu belasten versuchte. Aber all die zahlreichen «Verhöre» erbrachten nicht den leisesten Anhaltspunkt. Selbst die Gestapo eines Nazi-Regimes musste es aufgeben, diesem Priester in sittlicher Beziehung beizukommen. So wurde denn ein «Hochverrats»-Pozess gegen Dr. Rossaint und seinen Kreis aufgezogen.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Das Perfide an dieser Geschichte: Wir wissen inzwischen ziemlich sicher, dass es eben diese Missbrauchsfälle in der Kirche gab – und gibt. Und automatisch schleicht sich so etwas wie Misstrauen ein. Dazu muss man aber auch wissen, dass die Nazis relativ fix dabei waren, wegen § 175 zu ermitteln. Nicht nur gegen katholische Priester, sondern auch in den eigenen Reihen. Ein wirklich sehr kompliziertes Kapitel in der Geschichte NS-Verfolgung, das an dieser Stelle zwar erwähnt, aber nicht vertieft werden soll. Schlicht, weil das vom Thema wegführen würde. Aber – für alle, die es interessiert – ich habe das ausführlicher in Folge #30 – Organisierter Widerstand und der Paragraf 175 erklärt.

Rossaints Verbindungen zum Kommunismus

Im Falle Rossaint konnte die Gestapo jedenfalls nichts finden, was eine Anklage im Sinne des § 175 rechtfertigen würde. Also suchten sie sich ein neues Thema: Die Verbindung zu Kommunisten. Aber auch hier konnten die Nazis Rossaint im Prinzip nichts nachweisen. Der kommunistische Funktionär Ewald Kaiser sagt vor Gericht aus, Rossaints Bestreben sei vor allem darauf ausgerichtet gewesen, kommunistische Jugendliche für die Kirche zurückzugewinnen. Und die eben schon erwähnte Kommunistin Berta Karg gab auf die Frage zu Rossaints kommunistischer Besinnung trotz Drohungen zu Protokoll:

„Nein, Rossaints Haltung war bestimmt von reiner Menschlichkeit und christlicher Nächstenliebe. Gegen die Ziele der KOmmunisten hatte er starke religiöse Bedenken. Aber als Funktionär des kommunistischen Jugendverbades, der die Einheit der deutschen Jugend für den Frieden und die Freiheit Deutschlands anstrebt, war es meine Pflicht, auch zur katholischen Jugend Verbindung zu suchen.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Mein Großvater kommentiert das mit folgenden Satz:

„Die Hitler-Diktatur hat an dem urchristlichen Grundsatz in jedem Menschen, also auch im Kommunisten, den Bruder zu sehen, nichts zu ändern vermocht.“

Am Ende ist es den Nazis egal, aus welchen Gründen Rossaint mit den Kommunisten zusammengearbeitet hat. Denn: Rossaint muss aus dem Weg geschafft werden. Und Fakten lassen sich ja auch trefflich ignorieren. Besonders perfide ist die Art und Weise, wie in dem Prozess die Friedensarbeit von Rossaint dargestellt wird.

„Der Friedensbund Deutscher Katholiken, zu dessen Mitgliedern 6 deutsche Erzbischöfe, 14 deutsche Bischöfe, 9 deutsche Weihbischöfe, 2 Prälaten und 250 weitere Geistliche zählten, wurde in diesem Prozesse als eine staatsfeindliche Organisation hingestellt. Die Freidensarbeit führender Katholiken vor 1933 wurde ausdrücklich als grösster und gemeinster «Landesverrat» bezeichnet.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Es folgt die Beschreibung dieser Szene:

„Dem Generalsekretär Dr. Clemens (einer der Angeklagten, Anm. d. Autorin) wurde es sehr übel genommen, dass er 1933 auf der Tagung der katholischen Jugend Frankreichs geredet und für den Frieden und für die Verständigung der beiden Völker eingetreten sei.

„Wir hatten uns die Aufgabe gesetzt, in katholischen Kreisen Propaganda für den Friedensgedanken zu treiben“

erklärte Kaplan Kremer und erhielt vom Gerichtspräsidenten die Antwort:

„Ist Ihnen nicht zum Bewusstsein gekommen, dass eine dauernde Betonung des Friedensgedankens in der von Ihnen gewählten Form Folgen haben muss? Wer als Apostel herumzieht und den Frieden predigt, der glaubt an den Krieg“,

und dann zu Kaplan Rossaint wendend, fuhr er fort:

„Sie haben in der nationalsozialistischen Erhebung eine drohende Kriegsgefahr gesehen, ohne zu bedenken, welche Gefahr Sie durch diesen Defaitismus heraufbeschwören.“

Darauf gab Kaplan Dr. Rossaint die eindeutig klare Antwort:

„Ich habe in einer Besprechung mit Jungkatholiken den Standpunkt vertreten, dass der Nationalsozialismus das Chaos bedeutet, weil er zum Kriege führt.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Kriegstreiber sind immer die anderen

Wer sich für den Frieden einsetzt, beschwört damit also die Kriegsgefahr erst herauf und verbreitet Angst und Schrecken. Was für ein Verbrechen. Zumal es in dem Fall ja schlicht den Tatsachen entsprochen hat. Die Nazis haben den Krieg vorbereitet. All ihre Bestrebungen waren darauf ausgerichtet. Ich weiß, dass das aus der heutigen Zeit alles sehr schwer begreiflich ist, wie man auf die Argumentation der Nazis hereinfallen konnte. Mein Opa ist da ja auch nicht drauf reingefallen. Aber viele Menschen WOLLTEN einfach glauben, was ihnen die Nazis da aufgetischt haben. Und es gab ja auch kaum andere Informationen. Als Beispiel für die Propaganda der Nazis zitiert mein Großvater dann auch einen Artikel aus der NS-Publikation „Angriff“ vom 13. April 1937, in der Rossaint wie folgt beschrieben wird:

„Der Fall R. ist mehr als der Fall eines kleinen Priesters. R. ist der Repräsentant für die Geisteshaltung aller jener Kleriker, die in der krassen Nichtachtung des eigenen Volkes immer wieder ihre menschliche, moralische und religiöse Unzulänglichkeit beweisen. Man muss mit Fingern auf sie zeigen, sie sind die Schuldigen an Missverständnissen und Misstrauen. Quertreiber der Nation und Zutreiber Moskaus.“

Aus „Angriff“ vom 13. April 1937 in Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Ich würde ja zu gerne wissen, welche Belege dazu angeführt wurden. Ich befürchte aber, es gab gar keine. Für meinen Großvater zeigt der Fall Rossaint aber vor allem eins:

„Es ist dem Naziregime nicht gelungen, die Geschlossenheit der katholischen Jugend zu sprengen und zwischen Führung und Gefolgschaft einen Keil zu treiben. Das Gegenteil wurde erreicht: klarer denn vorher weiss die katholische Jugend, dass unter dem Nazi-Regime kein Leben möglich ist, das ihrer christlichen Weltanschauung gerecht wird. Und sie weiss auch, dass dieses Regime den Weg zur wirklichen Volkswerdung versperrt.“

Aus Kameradschaft Ausg. 1, November 1937

Ich hab keine Ahnung, wie sich solche Schriften auf die ausgewirkt haben, die das im stillen Kämmerlein zu lesen bekommen haben. Vorher heimlich irgendwoher illegal besorgt. Ich kann mir schon vorstellen, dass das nen riesen Eindruck gemacht haben muss. Das waren Informationen, die man vielleicht nur hinter vorgehaltener Hand bekam. Ganz sicher aber war die Gestapo in höchster Alarmbereitschaft, als sie von diesen Veröffentlichungen Wind bekommen hat. Zumal es zu diesem Zeitpunkt kaum möglich war, die Herausgeber dieser Zeitschrift in die Finger zu bekommen. Und dann werden auch noch Interna an die Öffentlichkeit gegeben – aber dazu dann mehr in Teil 3.

Eine Karikatur. Überschrift "Die Landschaft". Im Bild eine Hügellandschaft mit Mühlen und Bergruinen in der SA-Männer mit Gewehren scheinbar suchend durch die Landschaft ziehen. Im Vordergrund wird ein kleiner Junge mit Rucksack und Wanderkluft abgeführt. Seine Hände sind mit einem Strick vor dem Bauch zusammengebunden. Ein SA-Mann geht zufrieden lächelnd vorne weg und führt den Jungen am Strick. Drei weitere gehen mit grimmiger Miene hinter dem Jungen, die Gewehre auf seinen Rücken gerichtet.

Karikatur aus der ersten Ausgabe von „Die Kameradschaft“ | November 1937

Personen:

Theo Hespers – mein Großvater, Widerstandskämpfer und Mit-Herausgeber

Joseph Cornelius Rossaint – katholischer Kaplan *5. August 1902 in Herbesthal; † 16. April 1991

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